Mit Schockanrufen und falschen Polizeibeamten werden vor allem ältere Menschen unter Druck gesetzt, Geld zur Verfügung zu stellen. Die psychischen Folgen können gravierend sein.
Es ist ein Anruf, der das Leben völlig aus den Fugen geraten lassen kann: Die Enkelin ist am Telefon, sie habe einen Unfall verursacht. Sie gibt den Hörer an einen Polizisten weiter. Der sagt, andere Menschen seien verletzt, die Enkelin müsse sofort in Polizeigewahrsam. Es sei denn, sagt der freundliche Beamte, jemand stelle eine Kaution für sie bereit. Dieses Vorgehen ist als sogenannter Enkeltrick bekannt und eine beliebte Methode von Betrügern. Eine andere Variante: Der falsche Sohn oder die falsche Tochter meldet sich per Whatsapp. Das Handy sei kaputt, hier komme die neue Nummer. Und übrigens, das Online-Banking funktioniere deshalb leider auch nicht, ob man schnell helfen könne mit 500 bis 1.000 Euro.
Sehr hohe Dunkelziffer
Das Bundesinnenministerium bezeichnet solche Betrugsmaschen als ›Straftaten zum Nachteil älterer Menschen‹. Verlässliche Zahlen darüber, wie oft so etwas passiert und wie viele Menschen, die kontaktiert werden, auch zahlen, gibt es nicht. »Das hat vor allem zwei Gründe«, sagt Florian Wedell, Psychologe bei der Bundesgeschäftsstelle des Weißen Ring, »zum einen ist das sogenannte Victim Blaming bei solchen Betrugsdelikten enorm hoch. Da wird von außen, beispielsweise von Angehörigen, suggeriert, man sei doch selber schuld, wie könne man denn auf so einen Mist reinfallen. Und auch wenn den Betroffenen selber später klar wird, was da gerade passiert ist, schämen sie sich oft sehr.«
Wir gehen davon aus, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer gibt und die Dimension dieser Betrugsform weitaus größer ist, als wir sehen können.
Hinzu komme bei vielen Opfern die Einstellung, dass es hätte schlimmer ausgehen können, es seien ja ›nur‹ 1.000 Euro weg. Die Kombination dieser beiden Faktoren sorgt dafür, dass sich nur wenig Betroffene Hilfe holen. »Wir gehen also davon aus, dass es eine sehr hohe Dunkelziffer gibt und die Dimension dieser Betrugsform weitaus größer ist, als wir sehen können«, sagt Wedell.
Eine traumatische Erfahrung
Dass der Betrug funktioniert, liegt am psychologischen Aufbau: Es wird ein massives Schockerleben erzeugt, die Betroffenen geraten akut in eine Überforderung. »Darunter leidet die Fähigkeit, schlussfolgernd zu denken «, erklärt Wedell, »man geht sofort in die Emotion, macht sich Sorgen und agiert nicht mehr rational.« Der Gedanke ›Wie konnte ich nur darauf hereinfallen‹ taucht erst hinterher auf. Es folgen oft Selbstvorwürfe und eine Schuld-Scham-Spirale, die äußerst belastend für die Betroffenen sein kann. »Man fängt plötzlich an, den eigenen Gefühlen zu misstrauen, entwickelt Zukunftsängste«, sagt Wedell. Denn so ein Betrugserlebnis sei für viele Betroffene eine traumatische Erfahrung, die zu psychischen Folgeschäden wie einer Depression oder generalisierten Ängsten führen kann.
Wedell rät, möglichst früh über das, was man erlebt hat, ins Gespräch zu kommen. »Hier sind auch die Angehörigen gefragt«, sagt der Psychologe, »sie sollten empathisch sein und nachfragen, was genau der Betroffene braucht, ob man Hilfe vermitteln kann.« Experten bei der Polizei und auch bei Opfervereinigungen wie dem Weißen Ring sind geschult für solche Situationen, sie haben Verständnis für das Erlebte und können emotionale Entlastung bieten. Auch eine Anzeige sollte erfolgen.
Ein Codewort in der Familie
Wedell empfiehlt Familien, sich mit dem möglichen Betrug auseinanderzusetzen, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, was passieren könnte. »Dann gelingt es, wenn der Fall wirklich eintritt, vielleicht etwas besser, Ruhe zu bewahren und sich einen Überblick zu verschaffen.« Sobald Geld gefordert wird, sollte man das Gespräch abbrechen. Auch ein Codewort kann helfen. Das wird mit allen Familienmitgliedern abgesprochen. Kommt ein Schockanruf, kann man nach dem Codewort fragen, um sich zu vergewissern, dass es auch wirklich ein Angehöriger ist, der da in Nöten steckt.