Einmalig in Fußball-Deutschland: Der Zweitligist Arminia Bielefeld hat als erster deutscher Verein einen Stadionbereich errichtet, um Fans mit Autismus den problemlosen und fachgerechten Besuch eines Spiels zu ermöglichen.
Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen sollen als Teil der Gesellschaft sichtbarer werden – dieser Aufgabe haben sich Peter Heckmann und sein rund dreißigköpfiges Team verschrieben. Heckmann ist Behindertenfanbeauftragter beim Zweitligisten Arminia Bielefeld. Der Verein möchte so vielen Menschen wie möglich ein inklusives Stadionerlebnis anbieten. Knapp 800 Plätze für Menschen mit Behinderungen gibt es im Stadion von Arminia Bielefeld inzwischen. »Wir wollen so vielen Menschen wie möglich eine Teilhabe ermöglichen, doch es gibt nach wie vor sehr viel zu tun«, sagt Heckmann. Eines der jüngsten Angebote des Vereins ist die sogenannte Autistenloge. Menschen im autistischen Spektrum fühlen sich häufig von vielen Reizen überfordert. So bieten beispielsweise Kinos sogenannte Inklusionsvorstellungen an, bei denen ein Film mit gedimmtem Licht und reduzierter Lautstärke gezeigt wird, auf Werbung wird verzichtet.
Klangwasserbett und Blubbersäule
Die Autistenloge basiert auf einem ähnlichen Gedanken: Trommeln und Bratwurstduft, Fangesänge und Lautsprecherdurchsagen, Musik und Choreografien – ein Fußballspiel live zu erleben, ist ein Fest für die Sinne und vor allem akustisch ein Erlebnis. Menschen im Autismus-Spektrum schauen sich ihren Lieblingsclub daher lieber vorm heimischen Bildschirm an, um sich nicht diesen ganzen Reizen aussetzen zu müssen.
Arminia Bielefeld hat vor sechs Jahren die deutschlandweit erste Autistenloge in einem Stadion eingeführt. Heckmann lernte das Konzept 2018 bei einer Führung durch das Emirates Stadion des FC Arsenal in London. Gemeinsam mit anderen Mitstreitenden der Bundesbehindertenfan-Arbeitsgemeinschaft sah er sich dort den sogenannten Snoozleraum an und war beeindruckt. Wieder in Bielefeld, ging er mit seinem Vorschlag zur Vereinsführung und hatte Glück: Die Panoramaboxen sollten gerade neu vermarktet werden.
Die Autistenloge oberhalb der Nordtribüne war dann schnell beschlossene Sache und nach einem halben Jahr fertig. Sie besteht aus einer Panoramabox, in der bis zu fünf Menschen im Autismus -Spektrum und ihre Begleitpersonen ein Spiel schauen können, und einem abgetrennten schallisolierten Snoozleraum. Wer merkt, dass er in eine Reizüberflutung kommt, kann direkt in den Raum gehen und sich hier ein wenig er holen. Dabei können Fasernebel, Klangwasserbett, Blubbersäulen, Schwarzlicht oder Projektoren, die einen Sternenhimmel an die Decke werfen, helfen. Manchmal braucht es aber auch gar kein Therapie spielzeug, jeder kommt hier individuell zur Ruhe. »Wir hatten auch schon einen Fan, der hat mit Rammstein entspannt«, erzählt Heckmann.
Stadien mit Snoozleraum
Die Autistenloge kommt bei den Fans super an, sie ist bei jedem Spiel belegt. Betroffene Fans und ihre Begleitung werden auf Wunsch gerne am Stadionein gang abgeholt und in die Loge begleitet. »Gerade vor einem Heimspiel kann es hier sehr turbulent zu gehen, wir wählen dann den schnellsten und menschen ärmsten Weg in die Loge«, sagt Heckmann.
Er wünscht sich, dass noch mehr Stadien dem Bielefelder Vorbild folgen. »Die Engländer sind da viel weiter als wir, dort gibt es bereits in rund 30 Stadien einen Snoozleraum«, sagt Heckmann. Er sieht die spezielle Loge auch als eine Art Einstiegshilfe: Ein Fan, für den ein Stadionbesuch zunächst undenkbar war, hat sich langsam rangetastet und schaut die Spiele mittlerweile auf der Stehtribüne. »Das ist natürlich nicht für alle möglich, aber für uns ein schöner kleiner Erfolg«, freut sich der Behindertenfanbeauftragte.