Sie versprechen Gesundheit, die Aufarbeitung von Traumata, das Überwinden von Ängsten, die Rückkehr zum Idealgewicht, neue Lebenskraft, Seelenheil: Coachings gibt es viele, Coaches noch viel mehr. Was kann ein gutes Coaching leisten?
Die Klage ist bekannt: Wer sich auf die Suche nach einem Psychotherapieplatz begibt, muss meist viele Monate lang warten. Häufig greifen Menschen daher in emotionalen und mentalen Krisensituationen zu einer scheinbar naheliegenden Lösung: Sie nehmen sich auf eigene Kosten einen Coach. Der ist leicht zu finden, die Coachingbranche boomt nicht erst seit der Coronapandemie. Allerdings tummeln sich auf dem riesigen Markt seriöse und unseriöse Anbieter gleichermaßen. Rund 14.000 Coaches, schätzt der Deutsche Coaching Verband (DCV), sind zertifiziert und können eine Ausbildung bei den mehr als 30 Coachingverbänden in Deutschland nachweisen. Vielleicht dreimal so viele bieten ihre Dienste an, ohne entsprechend ausgebildet worden zu sein – auch das eine Schätzung. Die Gefahr also, an jemand Unseriösen zu geraten, der viel kostet und wenig hilft, ist durchaus groß. Wie also zurechtfinden in dem Coachingdschungel?
Hilfe zur Selbsthilfe
Psychotherapie z. B. ist ein geschützter Begriff, Psychotherapeutin oder Psychotherapeut kann nur werden, wer eine entsprechende intensive Weiterbildung absolviert hat. Der Begriff Coaching hingegen ist nicht geschützt, daher findet man ein großes Spektrum an Coaches auf dem Markt: Manche haben gar keine spezifische Ausbildung, andere haben einen Wochenendkurs besucht, Dritte verfügen über eine qualitativ anspruchsvolle Ausbildung.
Dieses Sich-selbst-eine-Lösung-erarbeiten ist ein entscheidendes Kriterium.
Um ein gutes von einem schlechten Coaching unterscheiden zu können, sollte man wissen, was genau ein Coaching eigentlich ist. »Im engeren Sinn handelt es sich um ein Angebot der Hilfe zur Selbsthilfe für gesunde Menschen mit beruflichen oder privaten Lebensfragen«, sagt Sabine Wöller, Vorstandssprecherin des DCV. Coaches bieten eine Prozessführung an, sie begleiten Klienten mit Fragen und Interventionen durch Gespräche, mit dem Ziel, dass sie selbst zu Erkenntnissen gelangen. »Dieses Sich-selbst-eine-Lösung-erarbeiten ist ein entscheidendes Kriterium«, sagt Wöller, »es zeigt die Grenze des Coachings auf.« Ist das aus eigener Kraft bei dem Klienten aktuell nicht möglich, wäre vielleicht eine therapeutische Unterstützung, z. B. durch einen Psychotherapeuten, eine bessere Wahl.
Lösung in wenigen Sitzungen
Ein Coaching ist zeitlich begrenzt und widmet sich einer konkreten Frage. Wieso kann ich so schlecht Nein sagen? Ich kenne alle Tipps, wie man mit Stress umgeht – warum hapert es bei der Umsetzung? Ich will mehr Sport machen, bleibe aber einfach nicht dran. »Wenn man das Ziel klar benannt hat, kann man das häufig in wenigen Coachingsitzungen so weit bearbeiten«, sagt Wöller, »dass der Klient oder die Klientin eine Lösung für sich gefunden hat, mit der er von hier aus weitergehen kann.« Grundsätzlich unterliegt ein Coaching einem gewissen Zyklus: »Man arbeitet mit dem Klienten zielorientiert an einem Thema, und wenn das Ziel erreicht ist, findet das Coaching sein natürliches Ende.«
Es sei wichtig, zwischen Business-Coaching und Life-Coaching zu unterscheiden, sagt Claas Lahmann. Der ärztliche Direktor der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg hat sich zum Executive Coach ausbilden lassen und berät u. a. Führungskräfte, Teams und Organisationen. »Beim Business-Coaching ist die Welt ein bisschen klarer«, sagt Lahmann, »die meisten Business-Coaches haben ein Zertifikat und man kann ihre Erfolge über die Referenzen leichter überprüfen.« Ratsuchende möchten meist Hilfe in einer Konflikt- oder Entscheidungssituation, oder sie möchten eine bestimmte Fähigkeit weiterentwickeln.
Jemand, der uns an die Hand nimmt
Beim Life-Coaching hingegen geht es stärker um übergeordnete Lebensthemen oder auch Schwierigkeiten, wie die Definition von Lebenszielen oder das Management von Stress. Und: Der Effekt stellt sich meist erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung ein. »Das macht die Sache etwas pikant, ich kann so nur schwer einschätzen, ob mir da jemand wirklich Sinnvolles erzählt«, sagt Lahmann, »prinzipiell kann so ein Life-Coaching schon hilfreich sein, aber ich wäre wirklich sehr, sehr vorsichtig, wenn ich mir da jemanden raussuche.«
Ohne ein wenig Anstrengung und eigene innere Veränderungsarbeit kommt man nun mal nicht raus aus schwierigen Phasen.
Dass so viele Menschen gerade in herausfordernden Zeiten das Bedürfnis nach einem Coach oder Mentor haben, der schnelle Lösungen oder Heilung verspricht, sei sehr nachvollziehbar, sagt Sabine Wöller. »In einer Erschöpfung wünschen wir uns, dass uns jemand an die Hand nimmt und rausführt aus der Krise. Wir alle haben die Sehnsucht, dass wir uns nicht quälen müssen und es eine gute, einfache Lösung gibt.« Wenn dann jemand kommt und erzählt, er könne genau das leisten, ist das überaus verlockend. Doch das täusche, sagt Wöller: »Ohne ein wenig Anstrengung und eigene innere Veränderungsarbeit kommt man nun mal nicht raus aus schwierigen Phasen und Situationen. Das kann uns niemand abnehmen, egal, was er oder sie verspricht.« Seriöse Coaches und Therapeuten sind sich dessen bewusst und geben keine Heilsversprechen.
Ein guter Coach hat eine Theorie
Gute Coachings nutzen lehr- und lernbare Techniken. Es gibt ein konkretes Problem, das mit definierten Mitteln und hinsichtlich eines Ziels bearbeitet wird. Das lernt man nicht, indem man selbst mal eine Krise oder Depression durchmacht. »Um das einmal zu vergleichen: Ich kann Ski fahren, wenn ich weiß, wie ich auf den zwei Brettern den Berg runterkomme, aber das qualifiziert mich noch lange nicht zum Skilehrer oder zur Skilehrerin«, sagt Lahmann. Es gehe um Anleitung, wie ich auf Basis einer Theorie zu meinem Ziel komme. Ein guter Coach hat eine Theorie, er kommt aus einer bestimmten Schule und verfolgt z. B. den Ansatz des systemischen oder psychodynamischen Coachings.
Ein Coaching kann vor allem dann sinnvoll sein, wenn man bei sich selbst bestimmte Muster im Verhalten oder Denken beobachtet, die einen persönlich stören. Dabei sollten sie nicht so belastend und lebenseinschränkend sein, dass man sich krank fühlt.
Auch wer suizidale Gedanken hat, braucht keinen Coach, sondern eine Therapeutin oder einen Therapeuten. Bei kleineren Problemen jedoch kann ein gutes Coaching durchaus verhindern, dass daraus ein großes wird, für das es eine Therapie braucht.
Preise variieren stark
Bei den Kosten für einen Coach oder eine Coachin gibt es kaum Grenzen. »Hochkarätige Business-Coaches nehmen bis zu 500 Euro pro Stunde«, sagt Sabine Wöller. Der DCV gibt auf seiner Internetseite als Richtwert 160 Euro pro Stunde an. Daran könne man sich orientieren, sagt Wöller, müsse sich aber darüber im Klaren sein, dass die Preise regional variieren. Hinzu kämen die verschiedenen Ausbildungshintergründe und Einsatzfelder der Coachinnen und Coaches. Seriös arbeitende Coaches kommunizieren im Vorfeld transparent, welche Kosten da auf einen zukommen.
Und wie findet man nun den seriösen Coach, die seriöse Coachin? Neben persönlichen Empfehlungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis sollte man sich am besten bei den Verbänden informieren. Hier sind Coaches angeschlossen, die sich einer freiwilligen Selbstkontrolle unterziehen: Sie lassen sich zertifizieren und auch immer wieder nachkontrollieren. Die großen Coaching-Gesellschaften wie der Deutsche Coaching Verband (DCV) oder der Deutsche Verband für Coaching und Training (DVCT) führen Datenbanken mit zertifizierten Coaches, in denen man für seine Region und sein Thema fündig werden kann.
Der Deutsche Coaching Verband empfiehlt die ausführliche Zusammenstellung ›Kostenfalle Coaching-Programm‹ der Verbraucherzentrale Bundesverband hinter dem Button ›Verträge & Reklamation, unter: www.verbraucherzentrale.de/wissen