Für den ersten ›Report Pflegebedürftigkeit‹ des Medizinischen Dienstes Bund wurden bundesweite Daten aus den Pflegebegutachtungen seit 2014 vertiefend ausgewertet. Der Report zeigt, wie sich die Pflegebedürftigkeit in Deutschland entwickelt und welche Potenziale sich für die Modernisierung der Begutachtung ergeben.
5,6 Millionen Menschen erhielten im Jahr 2024 Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung – das sind mehr als doppelt so viele als 2014. Ursache dafür sind der demografische Wandel und die Auswirkung der Pflegereform 2017, die eine bessere Berücksichtigung von psychischen, psychiatrischen und kognitiven Beeinträchtigungen bei der Feststellung des Grads der Pflegebedürftigkeit ermöglicht. Dies führte zu einem Anstieg an neuen, insbesondere auch jüngeren Pflegebedürftigen (18–59 Jahre und 60–69 Jahre). Auch die Anzahl der Begutachtungen bei Kindern hat sich seit 2015 verdreifacht auf 162000 Begutachtungen – auch wenn sie auf alle Begutachtungen gesehen nur einen Anteil von 3,4% ausmachen. In der Folge stieg auch die Anzahl der Begutachtungen beim Medizinischen Dienst erheblich: Im Jahr 2024 wurden bundesweit über drei Millionen Pflegebegutachtungen durchgeführt – doppelt so viele als zehn Jahre zuvor.
Pflegebegutachtung – auch eine Voraussetzung für Versorgungsstabilität
Die überwiegende Mehrheit der antragstellenden pflegebedürftigen Menschen (85%) lebt heute im eigenen Zuhause und wird von An- und Zugehörigen häufig ohne Inanspruchnahme von ambulanten Sachleistungen, wie beispielsweise einem Pflegedienst, versorgt. Über die Hälfte (57,4%) der antragstellenden Personen beantragten 2024 Pflegegeld; 11,6% ambulante Sachleistungen. 20,4% der Begutachteten beantragten Kombinationsleistungen aus Pflegegeld und ambulanten Sachleistungen. Pflegebedürftige Kinder und Jugendliche werden meistens zu Hause ohne professionelle Unterstützung versorgt – daher wurde für 93,5% der begutachteten Kinder und Jugendlichen Pflegegeld beantragt. »Die Pflegebegutachtung sollte sich in Zukunft auf Pflegesituationen fokussieren, bei denen An- und Zugehörige die Versorgungssituation oft ohne professionelle Unterstützung organisieren, um gerade diese Menschen zielgerichtet unterstützen und entlasten zu können«, sagt Carola Engler, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund.
Insbesondere zu Beginn der Pflegebiografie und in Versorgungssituationen ohne professionelle Unterstützung benötigen die Betroffenen Beratung, wie sie ihren Pflegealltag besser organisieren und bewältigen können.
Neben der Feststellung des Pflegegrads, empfiehlt der Medizinische Dienst individuelle Maßnahmen zur Förderung und zum Erhalt der Selbstständigkeit. So sprachen die Gutachterinnen und Gutachtern bei 82,7% der Erstbegutachtenden mindestens eine Empfehlung zur Verbesserung der (Pflege-)Situation aus. Dazu gehören zum Beispiel Empfehlungen für Heilmittelverordnungen wie Physio- und Ergotherapie oder Hilfsmittelempfehlungen wie etwa Geh-, Bade- und Duschhilfen. Bei jeder fünften Begutachtung empfehlen die Gutachterinnen und Gutachter zudem Präventionsmaßnahmen und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen wie zum Beispiel der Einbau einer behindertengerechten Dusche. »Bei der Erstbegutachtung kommt es ganz besonders darauf an, die Weichen für die Versicherten so zu stellen, damit sich die Pflegesituation zuhause stabilisiert und bedarfsgerecht ausgestaltet werden kann«, sagt Dr. Tatjana Hardes, Geschäftsbereichsleitung Pflegeversicherung beim Medizinischen Dienst Westfalen-Lippe. »Darauf sollten wir in Zukunft den Schwerpunkt legen.« Damit könnte der Medizinische Dienst die pflegebedürftigen Versicherten und ihr soziales Umfeld wesentlich stärken. Der Report Pflegebedürftigkeit ist unter www.md-bund.de (PDF) abrufbar.