Arzneimittel: neuer reimt sich auf teuer

Von Marius Penzel Lesezeit 2 Minuten
Auf einem Schotterhaufen steht eine Sandburg mit bunten Fähnchen.

Patentgeschützte Arzneimittel machen einen immer kleineren Teil der Patientenversorgung aus. Aber trotzdem belasten sie das Krankenkassen-Budget von Jahr zu Jahr mehr. Das setzt unser Gesundheitssystem zunehmend unter Druck.

Für Patientinnen und Patienten, bei denen die Medizin an ihre Grenzen stößt, gleicht die Nachricht über ein neu zugelassenes Arzneimittel einem Hoffnungsschimmer. Hier in Deutschland haben sie Glück: Denn die gesetzlichen Krankenversicherungen erstatten die Kosten neuer Arzneimittel, sobald sie zugelassen sind. Dadurch erhalten Betroffene neue Therapien schneller als in jedem anderen EU-Land. Das hat seinen Preis. Tausende oder gar zehntausende Euro kosten viele patentierte Arzneimittel pro Packung. Im ersten Jahr, in dem ein Arzneimittel in Deutschland auf dem Markt ist, bestimmt der Hersteller den Preis. Währenddessen überprüft das IQWiG, ob es wirksamer oder verträglicher ist als andere Therapien, die bereits auf dem Markt sind. Das Ergebnis dieser Prüfung bestimmt den Preis für die neuen Medikamente ab dem zweiten Jahr.

Hohe Kosten durch wenige Medikamente

Eingeführt wurde das System 2011 mit dem Ziel, Kosten zu senken. »Bislang sind alle Maßnahmen in gewisser Weise verpufft«, sagt Andreas Rhode, Leiter der Expertengruppe ›Arzneimittelversorgung‹ der Medizinischen Dienste. Zuletzt schärfte das Bundesgesundheitsministerium mit einem im Oktober 2022 verabschiedeten Gesetz nach. Ob es die steigenden Kosten für patentgeschützte Arzneimittel aufhalten kann, ist offen. Laut dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) gaben die gesetzlichen Krankenversicherungen 2022 für Arzneimittel insgesamt 52,9 Milliarden Euro aus. Mehr als die Hälfte investierten sie in patentgeschützte Medikamente. Mehrere Milliarden Euro fließen auch 2024 wieder in Produkte, bei denen das IQWiG keinen Zusatznutzen im Vergleich zu etablierten Therapien nachweisen wird. Dabei machen patentgeschützte Medikamente einen immer kleineren Teil der Verordnungen aus. Seit 2013 sank der Anteil der patentgeschützten Mittel an allen verordneten Arzneimittel-Dosen von 12,2% auf 6,8%. Trotzdem verdoppelten sich die Ausgaben für neue Medikamente seit 2013. Sollte sich nichts ändern, drohen Leistungskürzungen oder höhere Krankenkassenbeiträge. »Wir haben die Pflicht, das System bezahlbar zu halten«, sagt Rhode. »Damit den Menschen, die von den neuen Arzneimitteln wirklich profitieren, die Mittel verfügbar bleiben.«

EU ändert Arzneimittel-Regeln

Lösbar ist das Problem nur politisch. Wie das gehen könnte, zeigen andere EU-Mitgliedsstaaten wie Dänemark oder Frankreich: Auch sie prüfen den Zusatznutzen neuer Präparate – und zwar bevor die Medikamente auf dem Markt sind. Die Prüfung bestimmt hier, ob ein neues Medikament überhaupt auf den Markt kommt.

Dass wir uns in einigen Jahren unseren europäischen Nachbarn annähern, ist nicht unwahrscheinlich. Denn den Zusatznutzen soll bald nicht mehr jedes EU-Land einzeln bewerten, sondern eine Zentrale der EU-Kommission für alle Länder. Ab Anfang 2025 beginnt die Umstellung stufenweise. Ein weiteres Gesetz wird nach der Europawahl die Regeln für patentgeschützte Arzneimittel EU-weit ändern: Ein Entwurf der ersten Reform der EU-Pharmagesetzgebung seit über 20 Jahren sieht vor, die Zeit, in der andere Firmen nicht auf die Zulassungsdaten der Originalhersteller zugreifen dürfen, zu verkürzen – von 8 auf 7,5 Jahre. Damit sollen günstigere Nachahmerpräparate früher verfügbar werden.

Rhode ist zuversichtlich, dass bald noch wirksamere Lösungen folgen. »Es ist offensichtlich in der Politik angekommen, dass hier sehr viel Geld ausgegeben wird«, sagt er: »Wichtig ist, dass von diesen Ausgaben die Versicherten auch profitieren.«

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