Mehr Qualität durch Leistungskonzentration, Spezialisierung und Minderung des Kostendrucks durch Abbau von Überkapazitäten: Nachdem der Bundesrat am 22. November entschieden hat, wird das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (VV) zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Dies erfordert weitere Rechtsverordnungen, denen der Bundesrat zustimmen muss.
Über die Reformnotwendigkeit besteht weitgehender Konsens in Politik, bei Ärzteschaft, Krankenhäusern, Krankenkassen und relevanten Wissenschaftsorganisationen der Medizin und Gesundheitsökonomie. Zudem besteht erheblicher Handlungsdruck: Trotz außerplanmäßiger Subventionen, teils Pandemiebedingt, in einem Volumen von über 20 Milliarden Euro seit 2020, trotz eines Ausgabenanstiegs der GKV von 7,6% im ersten Halbjahr 2024 arbeiten rund 50% der Krankenhäuser derzeit defizitär, für das nächste Jahr wird mit weiter steigendem Insolvenzrisiko gerechnet. Mit 3,6% des Bruttoinlandsprodukts (2020) gibt Deutschland deutlich mehr für stationäre Versorgung aus als andere europäische Länder, die überwiegend unter 3% bleiben.
Der Befund: viel Masse, aber keine Klasse
Offenkundig sind erhebliche Struktur- und Qualitätsdefizite: Das Fallpauschalensystem vergütet gleiche Leistung bei unterschiedlicher Qualität gleich und hat zu einem medizinisch kaum begründbaren Anstieg der Fallzahlen geführt (plus 25% seit den 1990er Jahren). Die Art der Vergütung setzt Anreize für Krankenhäuser, Leistungen zu erbringen, für die sie personell und technisch nicht optimal ausgestattet sind und für die sie aufgrund geringer Fallzahlen zu wenig Erfahrung haben. Das führt zu beträchtlichen Qualitätsdefiziten: Mit Ausnahme von Mamma- und Prostata-Karzinomen sowie Hirntumoren werden bei nahezu allen anderen Krebsarten weniger als die Hälfte der Patientinnen und Patienten in zertifizierten Zentren erstbehandelt, so eine Potenzialanalyse der Krankenhausreformkommission der Bundesregierung. Ähnlich sieht es bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Schlaganfall, Herzinfarkt und in der Endoprothetik aus. Die Versorgungsdefizite werden als eine Ursache dafür angesehen, dass die Lebenserwartung in Deutschland nach jüngsten OECD-Daten 81,2 Jahre und damit 0,3 Jahre unter dem EU-Durchschnitt und 2,6 Jahre unter der der Schweiz, Italien und Spanien liegt. 30% der Bettenkapazitäten sind nicht ausgelastet; der Leerstand wäre noch größer, wenn über die Notaufnahmen der Krankenhäuser nicht Fälle stationär aufgenommen würden, die auch ambulant behandelt werden könnten. Die dafür notwendige Reform der Notfallversorgung und des Rettungsdienstes ist zwar in Vorbereitung, kann aber abschließend erst in der neuen Legislaturperiode verabschiedet und umgesetzt werden.
Planung mit Qualitätsvorgaben
Das jetzt beschlossene und am 1. Januar 2025 in Kraft tretende KHVVG ändert das SGB V, das Krankenhausfinanzierungsgesetz und das Krankenhausentgeltgesetz. Es verändert grundsätzlich die Planungsgrundlagen für die Krankenhausstrukturen in den Ländern und die Vergütungsstruktur. Die Vorarbeiten – weitere Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates sowie die Entwicklung eines neuen Vergütungssystems insbesondere durch das Institut für das Entgeltsystem für die Krankenhäuser (InEK) – erfordern zwei Jahre, so dass die Reform voraussichtlich ab 2027 in der Versorgung wirksam werden könnte. Die Planung der Krankenhausstruktur in der Zuständigkeit der Länder basiert auf einem Konzept, das die Regierungskommission für die Krankenhäuser entwickelt hat. Aber anders als die Kommission empfohlen hatte, werden nicht 128 Leistungsgruppen, sondern, ähnlich wie bei der nordrhein-westfälischen Krankenhausreform, 65 Leistungsgruppen zugrunde gelegt. Das Raster der medizinischen Leistungen ist also wesentlich gröber als empfohlen, kann aber weiterentwickelt werden.
Den Leistungsgruppen werden bundeseinheitlich und grundsätzlich verbindlich Strukturmerkmale zugewiesen: Vorgaben für die technisch-apparative Ausstattung, diagnostische Möglichkeiten, Mindestbesetzungen mit Fachärzten, Maßnahmen zur Sicherung der Prozessqualität und vor allem auch Mindestmengen, mit denen Erfahrung und Routine der Behandlungsteams sichergestellt werden sollen. Dabei sollen die Vorgaben für Mindestmengen im Laufe der Zeit weiterentwickelt und auch erweitert werden, soweit Evidenz vorliegt, dass eine Beziehung zwischen hoher Menge und medizinischer Qualität existiert.
Streit um Strukturanforderungen
In diesem Punkt gab es im Vorfeld der Bundesratssitzung die heftigsten Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern. Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach darauf bedacht war, diese Kriterien bundeseinheitlich bis auf wenige eng definierte Ausnahmen durchzusetzen, versuchten insbesondere Unions-geführte Bundesländer, allen voran Bayern, vor allem hinsichtlich der Facharztbesetzungen, möglichst viel ›Beinfreiheit‹ zu erreichen: Das betraf etwa die Vorgabe von je drei, teilweise auch vier Fachärztinnen und Fachärzten (mindestens in Rufbereitschaft 24/7 verfügbar) je Leistungsgruppe sowie die Anrechnungsmöglichkeit auf maximal zwei weitere verwandte Leistungsgruppen. Hier forderten Bundesländer sowohl eine niedrigere Zahl von Fachärzten als Mindestanforderungen als auch eine größere Flexibilität ihrer Anrechenbarkeit auf verwandte Leistungsgruppen. Begründet wurde dies damit, dass mit den strikten Vorgaben insbesondere in ländlichen Regionen Versorgungslücken entstehen könnten und die Erreichbarkeit (zulässige Fahrzeiten mit dem Pkw 30, zum Teil 40 Minuten maximal) erschwert werden könnte. Dieser Aufweichung der Strukturanforderungen wollte Lauterbach nicht nachkommen, wie er ausdrücklich in der Sitzung des Bundesrates am 22. November 2024 betonte.
Die Überprüfung der gesetzlichen Vorgaben obliegt den Medizinischen Diensten auf der Basis von Anträgen und Nachweisen der Krankenhäuser. Die Ergebnisse teilt der Medizinische Dienst den Landesverbänden der Krankenkassen mit. Generell gilt: Nur wenn die Vorgaben erfüllt sind, entsteht auch ein Anspruch auf die Vergütung. Aus ›zwingenden Gründen der Sicherstellung der Versorgung‹ können befristet Ausnahmen zugelassen werden.
Bezahlt werden soll nur für Qualität
Das zweite zentrale Reformelement betrifft die Vergütung der Krankenhäuser: Statt einheitlicher Fallpauschalen, aus denen mengenabhängig der Erlös eines Krankenhauses errechnet wird, erhält die Klinik nun eine auf die Dauer gesehen mengenunabhängige Vergütung für die Vorhaltung einer nach Leistungsgruppen und entsprechend der damit verbundenen strukturierten Ausstattung mit Personal und Technik. Diese Vergütung macht im Regelfall 60% des Gesamterlöses aus. Darin enthalten ist auch das bisherige Pflegebudget, das sämtliche Pflegepersonalkosten abdeckt. Die restlichen 40% der Erlöse werden weiterhin fallzahlabhängig auf der Basis entsprechend verminderter DRG-Vergütungen honoriert. Zusätzlich können Krankenhäuser künftig spezielle Zuschläge erhalten:
- 125 Mio. Euro zur Förderung von Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben für die Universitätskliniken,
- 288 Mio. Euro für die Pädiatrie,
- 120 Mio. Euro für die Geburtshilfe,
- 35 Mio. Euro für Stroke Units,
- 65 Mio. Euro für die spezielle Traumatologie und
- 30 Mio. Euro für die Intensivmedizin.
Für die notwendige Neustrukturierung der Krankenhäuser durch Krankenhausschließungen, Konzentration, Kooperation und Spezialisierung sieht das Gesetz einen Transformationsfonds mit einem Gesamtvolumen von 50 Milliarden Euro vor, der die Kosten der Transformation über einen Zeitraum von zehn Jahren ab 2026 abdecken soll. Der Fonds soll jeweils hälftig von den Bundesländern aufgrund ihrer Zuständigkeit für die Daseinsvorsorge und den gesetzlichen Krankenkassen durch Entnahme von Mitteln aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert werden. Die private Krankenversicherung hat eine Beteiligung ausgeschlossen.