Radon: Risiko in der Raumluft?

Von Christine Probst Lesezeit 4 Minuten
Ein Riss durch eine Wand

Eine der wichtigsten Ursachen für Lungenkrebs lauert womöglich im eigenen Zuhause. Denn dringt das radioaktive Edelgas Radon in Keller- und Erdgeschossräume, drohen erhebliche Gesundheitsgefahren. Das zu erkennen und Schutzmaßnahmen zu treffen, ist ein aktiver Gesundheitsschutz.

»Von Radon im Haus hatte ich noch nie etwas gehört«, sagt Uwe Böhme. Radon entsteht überall im Boden durch den Zerfall des von Natur aus in der Erde vorhandenen Urans. Gelangt das farb- und geruchlose Edelgas an die Oberfläche, verteilt es sich in der Luft. Dringt es über Risse oder an Leitungen entlang in Keller- oder bodennahe Innenräume ein, kann sich das Strahlung abgebende Element bei schlechter Lüftung in der Raumluft anreichern. Das kann zur ernsthaften Gesundheitsgefahr werden. »Muss ich mir Sorgen machen, weil wir die ausgebauten Kellerräume viel nutzen?«, fragt sich Böhme.

Gefährlicher Innenraumschadstoff

Ist ein Mensch über längere Zeit einer hohen RadonKonzentration ausgesetzt, steigt das Lungenkrebsrisiko. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von Radon als einer der Hauptursachen von Lungenkrebs. »Der Zusammenhang zwischen Radon und Lungenkrebs ist sehr gut erforscht«, sagt Anja Lutz, Pressereferentin beim Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).

Jeder vermeidbare Todesfall durch Radon ist einer zu viel.

Radon selbst reagiert zwar kaum mit anderen Stoffen, zerfällt aber weiter. Die ebenfalls radioaktiven Folgeprodukte wie Polonium, Wismut oder Blei lagern sich an Staubpartikel oder Tröpfchen in der Luft an. Der ganze radioaktive Raumluft-Mix gelangt beim Einatmen in die Lunge. Während Radon größtenteils wieder ausgeatmet wird, lagern sich dessen Folgeprodukte an den Bronchien an. Dort zerfallen sie weiter, wobei radioaktive Strahlung abgegeben wird. Das kann die Zellen im Lungengewebe schädigen und Lungenkrebs auslösen. Von den jährlich fast 45000 Todesfällen durch Lungenkrebs seien rund 2800 (6,3%) auf Radon zurückzuführen. Seit seiner Gründung forscht das BfS einerseits zu diesem Zusammenhang und setzt sich andererseits für eine ständige Verbesserung des Schutzes vor Radon ein. Denn »jeder vermeidbare Todesfall durch Radon ist einer zu viel«.

Vorsorgegebiete als Gefährdungsabschätzung

»Wie viel Radon im Boden vorkommt, unterscheidet sich in Deutschland je nach Region. In der norddeutschen Tiefebene überwiegen niedrige Radon-Konzentrationen in der Bodenluft, in den Mittelgebirgen und den Alpen überwiegen hohen Werte«, so Lutz. Umso höher die Bodenkonzentration, »desto mehr ist eine Radon-Messung angeraten«. Die meisten Bundesländer weisen auf ihren Länderseiten sogenannte Radon-Vorsorgegebiete aus. Diese waren bis Ende 2020 verpflichtend zu ermitteln, festzulegen und in den Amtsblättern zu veröffentlichen. Sie zeigen, in welchen Gemeinden oder Landkreisen in Gebäuden mit Aufenthaltsräumen oder Arbeitsplätzen der deutsche Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter in der Raumluft im Jahresdurchschnitt häufig überschritten wird.

Das Strahlenschutzgesetz verpflichtet Staat, Arbeitgeber und Bauherren zu Maßnahmen zum Schutz vor Radon. So sind Verantwortliche für Arbeitsplätze in Kellern oder Erdgeschossen in Vorsorgegebieten zu Messungen und ggf. zur Reduzierung der Konzentration verpflichtet. Verschiedene Möglichkeiten wie Abdichtungen oder dezentrale Lüftungsanlagen sind im Radon-Handbuch Deutschland des BfS aufgeführt. Bauherren haben in Radonvorsorgegebieten mindestens eine Maßnahme aus §154 Strahlenschutzverordnung umzusetzen, z. B. die Verwendung einer diffusionshemmenden Betonsorte.

Hohe Radonkonzentrationen in der Innenraumluft sind auch bei niedrigen Radonkonzentrationen in der Bodenluft möglich.

»Nachdem ich von der Gefahr durch Radon gelesen hatte, habe ich mir die Karte der Vorsorgegebiete beim Strahlenschutzamt angeschaut und festgestellt, dass ich genau in einem solchen Gebiet lebe«, sagt Böhme. Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) stellt jedoch klar, dass innerhalb von Radon-Vorsorgegebieten in der Regel nicht in allen Gebäuden mit Überschreitungen des Referenzwerts zu rechnen sei und außerhalb dieser Gebiete ebenso lokal erhöhte Radonvorkommen auftreten könnten. »Hohe Radonkonzentrationen in der Innenraumluft sind auch bei niedrigen Radonkonzentrationen in der Bodenluft möglich«, sagt Lutz. Gründe können z. B. Risse im Fundament oder eine unzureichende Raumbelüftung sein. Um sicher zu wissen, ob ein bestimmtes Gebäude von erhöhten Radonkonzentrationen betroffen ist, raten BMUV und BFS zu Messungen.

Messung als Gewissheit

Radon-Messungen sind laut BfS vergleichsweise preiswert und unproblematisch. Gemessen werden sollte, wie hoch die Radon-Konzentration im Jahresdurchschnitt (Jahresmittelwert) in den Räumen ist, in denen sich üblicherweise am längsten aufgehalten wird – also Wohn-, Schlaf-, Ess- oder Arbeitszimmer. Mit speziellen Messgeräten (passive Radon-Detektoren) kann die Radon-Konzentration geräuschlos und ohne Strom über mehrere Wochen und Monate bis hin zu einem Jahr erfasst werden. Das BfS bietet eine Übersicht von Messlaboren, bei denen die Geräte erhältlich und die anschließende Auswertung möglich sind. Mit einem Geigerzähler lässt sich Radon hingegen nur bei sehr hohen Konzentrationen nachweisen.

Radon-Messungen sind laut BfS vergleichsweise preiswert und unproblematisch.

Überschreitet der Mittelwert den deutschen Grenzwert von 300 Becquerel (Bq) pro Quadratmeter, ist Handeln angeraten. Die WHO empfiehlt das sogar bereits ab 100 Becquerel. »Knapp zwei Millionen Menschen sind in Deutschland in ihren Wohnungen einer Radon-Konzentration über dem gesetzlichen Referenzwert von 300 Becquerel pro Kubikmeter Raumluft ausgesetzt. Fast neun Millionen Menschen leben mit Radon-Werten zwischen 100 und 300 Becquerel pro Kubikmeter«, so Lutz.

Abdichten verhindert das Einströmen

Erste Hilfe verspricht regelmäßiges ›Querlüften‹ – dabei sollten die Fenster an unterschiedlichen Gebäudeseiten mehrmals am Tag für fünf bis zehn Minuten weit geöffnet und so ein intensiver Austausch der Innenraumluft ermöglicht werden. Offensichtliche Ritzen, Fugen an Rohrdurchführungen oder kleine Löcher können mit dauerelastischer Kittmasse wie Silikon verschlossen und Türen zum Keller mit elastischen Dichtungsprofilen abgedichtet werden. Elektronische Radon-Messgeräte, die die Radon-Konzentrationen sofort auf Display oder Computer anzeigen, können vermutete Eintrittsstellen bestätigen und den Erfolg von Dichtarbeiten zeigen.

Lässt sich die Radon-Konzentration durch Eigenmaßnahmen nicht ausreichend reduzieren oder ist unklar, wie das Gas ins Gebäude gelangt, sollte ein Radon-Sachverständiger hinzugezogen werden. Dieser kann z. B. über ein Differenzdruck-Messverfahren (Blower-Door-Test) herausfinden, wo das radioaktive Gas ins Gebäude gelangt. Anschließend können individuelle Schutz- und Sanierungsmaßnahmen wie der Einbau einer technischen Lüftungsanlage (ggf. mit Wärmerückgewinnung) geplant werden. Über ›Bauliche und lüftungstechnische Maßnahmen zum Radonschutz‹, die je nach Standort und Bauvorhaben angewendet werden können, informiert seit 2024 die DIN-TS 18117-2. Eine Übersicht zu öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen bietet z. B. das bundesweite IHK-Sachverständigenverzeichnis unter https://svv.ihk.de

Das BfS und die Universitätsmedizin Göttingen (UMG) bauen nach Hinweisen aus Radon-Studien auf biologische Veränderungen von entzündlichen Reaktionen und Veränderungen im Genom eine Radon-Biobank auf. Ziel ist, die biologischen Wirkungen von Radon etwa auf das blutbildende System oder das Mikrobiom genauer zu untersuchen. »Bioprobenbanken sind eine wertvolle Ergänzung für die epidemiologische Forschung, da sie eine Präzisierung und tiefere Analyse von möglichen krankheitsverursachenden biologischen Vorgängen ermöglichen«, so Lutz. Die gesammelten Biomaterialien wie Blut, Speichel und Abstriche der Mund- und Nasenschleimhaut sollen Vergleiche zwischen hoch- und niedrig belasteten Personen, verschiedenen Altersgruppen sowie Frauen und Männern erlauben. Generell ist aber davon auszugehen, dass das Gesundheitsrisiko mit der Dauer der Radon-Belastung ansteigt. Daher ist es wichtig, diese möglichst früh zu verringern.

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