Seit Jahren steigt die Zahl der Schönheitseingriffe in Deutschland, auch bei jungen Menschen. Das könnte unter anderem am Einfluss der sozialen Medien liegen.
Jeder Mensch möchte schön aussehen: Manch einem ist das wichtiger als anderen – aber wohl niemand kann sich von ein bisschen Eitelkeit freisprechen. Oder, wie es die Schweizer Autorin Brigitte Fuchs formulierte: »Schönheit strahlt von innen – aber sie wird von außen in Form gebracht.«
Immer mehr Menschen genügt es nicht, was sie durch Sport, Diät, Gesichtscreme oder Make-up erreichen – sie wählen invasivere Methoden und lassen sich das durchaus etwas kosten: Etwa 77.000 Eingriffe zählte die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (DGÄPC) noch in 2018, 2022 waren es schon mehr als 98.000 Eingriffe. Darunter fallen unter anderem Operationen zur Brustvergrößerung, Fettabsaugung oder Bauchdeckenstraffung, aber auch minimalinvasive Eingriffe zur Straffung der Haut, vor allem im Gesicht. Gerade diese Behandlungen werden immer beliebter: Fast 30.000 Mal wurden 2022 in Deutschland Falten durch Botox-Spritzen geglättet, rund 22.000 Mal wurde Hyaluronsäure eingesetzt, um Lippen aufzuspritzen, Wangen voller aussehen zu lassen oder an anderen Stellen des Körpers Haut aufzupolstern. Zwei Aspekte finden Experten dabei besonders bedenklich: den steigenden Einfluss von Medien auf die Wünsche der Patientinnen und Patienten und dass immer öfter minimalinvasive Eingriffe mit Botox, Hyaluronsäure und Co. von nicht ausreichend qualifizierten Behandelnden durchgeführt werden.
Geschönte Bilder auf Insta und TıkTok
Wer auf Instagram, TikTok und anderen Social-Media-Kanälen unterwegs ist, der kann ihnen nicht entkommen: Fotos von Gesichtern mit makellos glatter Haut, ohne Augenringe, Falten, Unreinheiten und oft mit extra dicken Lippen. Auch wenn die Bilder als spontane Aufnahmen inszeniert werden – in der Regel sind sie durch Bildbearbeitungsprogramme und oft auch durch Filter verändert, so dass die Haut glatter, reiner, voller aussieht.
»Das prägt«, meint Dr. Alexander P. Hilpert, Facharzt für plastische und ästhetische Chirurgie: »Durch den gesteigerten Konsum sozialer Medien steigt in logischer Konsequenz auch die Beeinflussung – vor allem auf den Selbstwert junger Menschen. Das kann dann unrealistische Wünsche schüren.«
Hilpert kann seine Beobachtung durch Daten untermauern. Er war bis Ende 2023 Präsident der DGÄPC, die jährlich eine Befragung unter Patientinnen und Patienten durchführt: »Über die letzten Jahre stieg die Beeinflussung beim Punkt ›Soziale Medien verstärken meinen Wunsch nach körperlicher Veränderung‹ gerade in der jungen Zielgruppe unter 30 alarmierend an.«
Filter sind die neue Realität
Doch warum wirken diese geschönten Bilder gerade auf junge Menschen so stark? Schließlich ist diese Altersgruppe deutlich erfahrener im Umgang mit sozialen Medien als ältere Menschen und sollte die eingesetzten Täuschungsmethoden kennen. »Junge Menschen sind in ihrem Selbstbild noch nicht so gefestigt, so dass sie dahingehend leichter beeinflussbar sind«, meint Hilpert. »Was sie konsumieren, nehmen sie als Wahrheit, als ›normal‹ oder zumindest als eine Art Verbesserungsvorschlag für das eigene Leben wahr.«
Für seine Einschätzung greift der Präsident der DGÄPC nicht nur auf Daten und Statistiken zurück: »Als Vater von drei Kindern sehe ich, wie leicht junge Menschen durch die Nutzung digitaler Medien zu beeinflussen und auch zu verunsichern sind. Junge Menschen verbringen nicht selten mehrere Stunden am Tag mit Instagram und TikTok. Wenn man andauernd mit gefilterten Bildern und Videos Umgang hat, nimmt man das automatisch als ›neue Realität‹ wahr.« Die Konsequenz erlebt der Chirurg wiederholt bei seiner Arbeit: »In meiner Praxis hat das zur Folge, dass immer häufiger junge Menschen mit teils absurden, surrealen Wünschen zu mir kommen.« Sie wünschen sich zum Beispiel, genauso auszusehen wie Kim Kardashian oder irgendeine andere Internet-Berühmtheit, berichten auch Kollegen von Hilpert.
Junge Menschen sollten geschützt werden
Um solche Situationen zu verhindern und junge Menschen besser zu schützen, setzt sich Hilpert zusammen mit Kollegen und Kolleginnen der DGÄPC, der Deutschen Gesellschaft für plastische, rekonstruktive und ästhetische Chirurgie und der Vereinigung der deutschen ästhetisch-plastischen Chirurgen für eine Kennzeichnungspflicht von geschöntem und körpermerkmalverändertem Bildmaterial in den Sozialen Medien und in der Werbung ein. »Wir haben hierfür sogar eine eigene Petition vorbereitet und konnten bereits zahlreiche Medienpartner gewinnen«, erzählt der Chirurg. Er ist überzeugt: »Eine Kennzeichnungspflicht wie in Frankreich, Israel oder Norwegen wäre ein wichtiger Schritt zum Schutz der jungen Zielgruppe.«
Egal, ob jung oder alt: Wer sich zu einem Schönheitseingriff entschließt, der sollte sich in erfahrene Hände begeben.
Doch immer mehr Beautyketten und wenig qualifizierte Anbieter locken mit niedrigen Preisen, unter 350 bis 450 Euro, die man in der Regel zum Beispiel für das Aufspritzen der Lippen mit Hyaluronsäure erwarten sollte. Dafür zahlen Patientinnen und Patienten oft mit schlechter Beratung und einem höheren Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen oder regelrechte Fehler.
Wichtig ist die Qualifikation
Für Prof. Dr. Claudia Borelli ist ganz klar: »Grundsätzlich ist die Injektion von Botulinum eine Behandlung, die definitiv nur in ärztliche Hände gehört. Es ist nicht richtig, wenn Menschen mit ganz anderen Berufen Botulinumtoxin injizieren, die die Nebenwirkungen nicht beherrschen können und Anatomie nicht gelernt haben.« Die Leiterin der Einheit für Ästhetische Dermatologie und Laser am Universitätsklinikum Tübingen sieht immer wieder Fälle, bei denen es durch unerfahrene Behandler zu Problemen kommt: Botox wird an die falsche Stelle gespritzt oder die Dosierung ist zu hoch und es kommt zum Beispiel zu unsymmetrischen Gesichtszügen oder hängenden Augenlidern. Die derzeit sehr beliebte Hyaluronsäure, die Gesichtspartien aufpolstern kann, gibt es in gänzlich unterschiedlichen Qualitäten auf dem Markt. Schlechte Produkte können zu Granulomen führen: sichtbaren Verhärtungen unter der Haut, die von Fachleuten entfernt werden müssen. Spätestens hier sind dann Kosmetikerin oder Heilpraktiker überfordert. Auch nicht jede Ärztin und jeder Arzt hat ausreichend Erfahrung. Besser also, man wendet sich gleich an qualifizierte Ärzte, betont Borelli: »Man sollte genau darauf achten: Hat der Arzt oder die Ärztin eine Facharztweiterbildung absolviert und wenn ja, welche. In erster Linie sind es Dermatologen und plastischästhetische Chirurgen, die mit ihrer Facharztweiterbildung dieses Gebiet beherrschen. Mit weiteren Fortbildungskursen spezialisiert man sich dann noch mehr für den ästhetischen Bereich, wie zum Beispiel dem Zertifikat für Ästhetische Dermatologie der deutschen dermatologischen Akademie.«
Vorsicht vor Fake-Bezeichnungen
Vor bestimmten anderen Bezeichnungen warnt die Dermatologin: »Es gibt Ärzte, die auf ihrer Website als ›Schönheits-Mediziner /Schönheitschirurg / Beauty-Doc‹ bezeichnet werden – hier muss man als Patientin und Patient genau hinterfragen: Wem sitze ich da eigentlich gegenüber, was hat er für eine Ausbildung? Denn ›Schönheits-Arzt‹ ist keine Qualifikation, dahinter steckt keine existierende Facharzt-Bezeichnung.«
Zu einer guten qualifizierten Behandlung gehört zudem eine umfassende Vorbereitung, erklärt sie: »Wir klären die Patientinnen und Patienten mindestens einen Tag vor dem Eingriff auf, da es ein minimalinvasiver Eingriff am gesunden Körper ist und der Patient wissen muss, was er an Nebenwirkungen zu erwarten hat oder was entstehen könnte.« Wer unter 18 Jahre alt ist, der benötigt außerdem die Einwilligung seiner Eltern. Wie viel Aufwand jemand betreibt, um seine Schönheit von außen in Form zu bringen – das ist eine sehr persönliche Entscheidung. Man sollte sich nur bewusst sein: Egal ob Lippen aufspritzen, Falten glätten oder Bauchdecke straffen – diese Eingriffe sind anspruchsvoll und sollten daher von Ärzten/Ärztinnen gemacht werden, die dafür qualifiziert sind.