Hitzschlag, Dehydration, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, mentale Belastungen, Atemwegserkrankungen, Allergien oder neue Infektionskrankheiten – unser Gesundheitssystem ist zunehmend von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen. Gleichzeitig gehört es zu den Treibern des Klimawandels.
Klimawandel ist längst ein Gesundheitsthema. Extremwetterereignisse, schlechte Luft oder von Tieren übertragene Krankheitserreger steigern Behandlungszahlen in Kliniken und ärztlichen Praxen und belasten ein ohnehin strapaziertes System personell und finanziell. Klimaschutz und ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit sind daher im Interesse von Gesundheitseinrichtungen.
Zwischen belastet und Belastung
Dabei haben Gesundheitseinrichtungen selbst Auswirkungen auf den Klimawandel – durch ihren Strom- und Wasserverbrauch, durch Heizen oder Narkosegase verursachte Treibhausgasemissionen, Ressourcenverbrauch durch Einwegprodukte wie Handschuhe, Spritzen oder Verbandmaterial und den entstehenden Abfall.
»In Deutschland entfallen rund 5% der CO2-Emissionen auf Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtungen«, sagt Lea Eggers von KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e. V. Neben Kohlenstoffdioxid emittiert das Gesundheitssystem auch Methan, Stickoxide und fluorierte Treibhausgase. Große Klinikkomplexe fallen dabei verständlicherweise mehr ins Gewicht. »Das zeigt, dass Nachhaltigkeit in Krankenhäusern nicht nur eine ökologische, sondern auch eine gesundheitspolitische und ökonomische Notwendigkeit ist«, so Eggers. Ein nachhaltiges Gesundheitswesen trage dazu bei, Versorgung krisenfest, gerecht und vorausschauend zu gestalten. »Es verbindet Klimaschutz mit Resilienz – und stellt sicher, dass die Strukturen, auf die wir in gesundheitlichen Krisen angewiesen sind, selbst nicht zur Krise beitragen. Deshalb ist es so wichtig, ökologische Verantwortung und gesundheitliche Versorgung konsequent zusammenzudenken.« Entsprechende Maßnahmen seien ein Kostenfaktor, der Anreize ebenso brauche wie einen gesetzlichen Rahmen und Finanzierungsmodelle.
Viele Gesetze, zu wenig Wirkung?
»Die politische Unterstützung ist wichtig, aber bislang nicht konsequent genug«, meint Eggers. Gesundheitseinrichtungen werden hierzulande von zahlreichen Gesetzen berührt, die Regelungen zu Umwelt- und Klimaschutzaspekten vorgeben. Das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) setzt z. B. nationale Klimaschutzziele zur Treibhausgas-Minderung. Gesetze wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) fördern Ausbau und Nutzung erneuerbarer Energien und steigern die Energieeffizienz. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) regelt die Vermeidung, Verwertung und Entsorgung von Abfällen. Unternehmen mit mehr als 1.000 Arbeitnehmenden fallen unter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und müssen die eigenen sowie die Lieferketten ihrer Zulieferer im Hinblick auf die Einhaltung von Menschrechten und bestimmter Umweltstandards ausrichten. Besondere Relevanz hat das z. B. für Pharmaunternehmen, die oft in Ländern wie China oder Indien produzieren. Die überarbeitete nationale Wasserstrategie will durch weniger Schadstoffe wie Medikamente die Wasserqualität in Bächen, Flüssen, Seen und dem Grundwasser kontinuierlich verbessern. Aspekte der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes sind auch im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) berücksichtigt. Spezifische Regelungen wie das Infektionsschutzgesetz (IfSG) oder das Chemikaliengesetz (ChemG) beziehen den Umweltschutz ebenfalls mit ein. Im Krankenhaussektor unterstützt das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) Nachhaltigkeitsaspekte durch Förderung von Modernisierung und Digitalisierung. Energiehilfen für die Krankenhäuser wurden politisch an eine Energieberatung gebunden.
Wenn Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen systematisch verankert werden soll, muss die Politik noch deutlich mehr tun.
Viele Krankenhäuser wären zudem nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union (EU) ab diesem Jahr zur Offenlegung von Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsthemen nach einheitlichen Standards in einem Nachhaltigkeitsbericht verpflichtet. Das gilt derzeit für Unternehmen, die zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen: eine Bilanzsumme von mindestens 25 Mio. Euro, Umsatzerlöse von mindestens 50 Mio. Euro oder mehr als 250 Mitarbeitende. Die EU will die Vorgaben jedoch abmildern und ab 2027 nur Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitenden zum jährlichen Nachhaltigkeitsbericht verpflichten. »Die ursprünglich vorgesehene Berichtspflicht für Krankenhäuser wäre ein wichtiger Schritt gewesen, um Verbindlichkeit und Transparenz zu schaffen. Gerade in einer Zeit, in der viele Häuser ohnehin unter großem Druck stehen, braucht es klare Rahmenbedingungen und Planungssicherheit. Freiwillige Initiativen sind wertvoll, doch sie reichen allein nicht aus. Wenn Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen systematisch verankert werden soll, muss die Politik noch deutlich mehr tun«, so Eggers. Die Bundesregierung arbeitet derzeit noch an einem Gesetz zur Umsetzung der europäischen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Projekte und Positionen
Trotz aller Bemühungen ist das angestrebte Ziel der Klimaneutralität des Gesundheitssektors bis 2030, das 2021 auf dem 125. Deutschen Ärztetag festgelegt wurde, noch weit entfernt. Dennoch: Viele Einrichtungen verankern Nachhaltigkeit zunehmend im Alltag. Mehrere Krankenhausgesellschaften und Initiativen setzen sich für Klimaneutralität im Gesundheitswesen ein. Die Krankenhausgesellschaft NRW hat dafür z. B. die Initiative ›Klimaneutrales Krankenhaus‹ gestartet. Hier will u. a. die Knappschaft Kliniken GmbH 40% der CO2-Emissionen einsparen und erarbeitet dafür ein Transformationskonzept. In Sachsen-Anhalt haben das BG-Klinikum Bergmannstrost und die Universitätsmedizin Halle das EU-geförderte Projekt ›Nachhaltigkeit in der Medizin – Digitalisierung als Chance der Transformation‹ initiiert. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft unterstützt das Thema Nachhaltigkeit ebenfalls u. a. mit konkreten Positionen und Informationen zu Klimaschutzmanagerinnen und -managern und finanziellen Förderungen. Für Arztpraxen hat z. B. der Verein KlimaDocs e.V. eine spezielle Wartezimmerkommunikation zum Thema Klimaschutz entwickelt. Zunehmend mehr Praxen bieten gezielte Aufklärung in Klimasprechstunden an. Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband bündelt Aktivitäten in der AG Klimawandel und Gesundheit. Und auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK) setzt sich mit dem Berufsbildungsprojekt BBNE-PfleGe für nachhaltiges Handeln in der Pflege ein. Die Initiative KliMeG unter dem Dach von KLUG – Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. unterstützt als Kompetenzzentrum Klimaschutzmaßnahmen in Gesundheitseinrichtungen und den Weg hin zur Klimaresilienz.
Krankenkassen und Medizinische Dienste machen mit
Mit dem Ziel, Über-, Unter- und Fehlnutzung zu vermeiden, begrenzte Ressourcen verantwortungsvoll und wirtschaftlich einzusetzen, Synergien zu nutzen und Emissionen zu verringern, ist der Nachhaltigkeitsgedanke in der gesetzlichen Krankenversicherung tief verwurzelt. Diesen Prinzipien verpflichtet sind auch die Medizinischen Dienste, die sich mit vielen unterschiedlichen Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit starkmachen: mehr digitale Prozesse, mehr recycelte Materialien und nachwachsende Rohstoffe. Ob Mülltrennung, Ökostrom, Jobticket, JobRad oder Baumpflanzaktionen – für eine nachhaltige Gesellschaft müssen ökologische, ökonomische und soziale Ziele Hand in Hand gehen. Dazu gehören auch soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, Vielfalt und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Eggers sagt: »Viele Mitarbeitende wünschen sich, in einer Einrichtung zu arbeiten, die Verantwortung übernimmt, aktiv etwas bewegt und vorsorgt. Deshalb ist es entscheidend, das Problem bei der Wurzel zu packen, die Emissionen im Gesundheitswesen zu reduzieren und Teil der Lösung statt des Problems zu werden. So leisten wir nicht nur einen Beitrag zum Klimaschutz, sondern tragen auch langfristig zur Entlastung des Systems und zur Gesundheit der Menschen bei.«