Eine aktuelle Umfrage unter berufstätigen Frauen zeigt: Wechseljahressymptome mindern die Arbeitsproduktivität und hemmen die berufliche Entwicklung. Wie unterstützen Unternehmen ihre Mitarbeiterinnen?
Derzeit erleben rund neun Millionen Frauen in Deutschland ihre Wechseljahre mit unterschiedlich starken Begleiterscheinungen. Ein Drittel leidet unter körperlicher und geistiger Erschöpfung, Hitzewallungen, Herzrasen und massiven Schlafstörungen, weiß die Deutsche Gesellschaft für Menopause. Jede Vierte, so das Ergebnis einer aktuellen Befragung durch die Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) und die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin von 2023, reduzierte deshalb ihre Arbeitszeit, 10% gingen früher in Rente. 30% waren deshalb schon einmal krankgeschrieben oder nahmen unbezahlten Urlaub. Gleichzeitig fürchten viele Frauen, durch Vorurteile und gesundheitliche Beschwerden benachteiligt zu werden und als leistungsschwach zu gelten. Erstmals in Deutschland untersuchen Forschungsprojekte (›MenoSupport‹, HWR und HTW Berlin; ›Wechseljahre und Leadership‹, Healthcare Frauen e.V.) die Auswirkungen der Wechseljahre auf Karriereentscheidungen und wie Arbeitgeber betroffene Frauen gezielt unterstützen können, damit sie der Wirtschaft erhalten bleiben.
Volkswirtschaftlich relevant?
Die wirtschaftlichen Auswirkungen von Wechseljahresbeschwerden verdeutlichen Statistiken anderer Länder. Laut einer Studie der Mayo-Clinic aus 2023 verliert beispielsweise die US-Wirtschaft durch Arbeitsausfälle jährlich 1,8 Milliarden Dollar. Obwohl viele Frauen ihre Arbeitszeit verkürzen, Fachkräftemangel und demografische Alterung große Herausforderungen sind, bleiben Wirtschaft und Politik in Deutschland zurückhaltend. 2023 antwortete die Bundesregierung auf eine Fraktionsanfrage, dass Arbeitgeber selbst ›für eine beschäftigtenspezifische betriebliche Prävention und Gesundheitsförderung sorgen könnten‹. Maßnahmen, um Frauen in den Wechseljahren im Arbeitskontext zu unterstützen, seien nicht geplant.
Tabuthema
Großbritanniens größte Lebensmittelhandelskette sorgt schon jetzt mit atmungsaktiver Arbeitskleidung, flexibleren Arbeitszeiten und Infoveranstaltungen für einen offeneren Umgang und Rücksichtnahme am Arbeitsplatz. In den meisten deutschen Unternehmen sind Wechseljahre noch kein Thema, so ›MenoSupport‹. Für dieses Forschungsprojekt wurden 2119 Frauen mit einem mittleren Alter von 51 Jahren dazu befragt, wie sich Symptome rund um die Wechseljahre im Beruf auswirken. Lediglich 3,5% der Berufstätigen fühlten sich von ihrem Arbeitgeber unterstützt. Dabei haben schwere Symptome einen großen Einfluss auf den Arbeitsalltag und können symptombedingt Arbeitsausfälle verursachen. »Frauengesundheit fand lange Zeit kaum Beachtung im Forschungskontext und ist auch im Betrieblichen Gesundheitsmanagement erst seit wenigen Jahren wirklich ein Thema. Dabei werden oft nur die Bedürfnisse junger Frauen adressiert; das Thema Wechseljahre ist noch weitgehend ein Tabuthema im betrieblichen Arbeitsumfeld. Das bestätigen auch die von uns erhobenen Daten in der ersten deutschlandweiten Befragung von berufstätigen Frauen zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz«, so Andrea Rumler, Professorin für Betriebswirtschaftslehre an der HWR Berlin und Leiterin des Forschungsprojekts ›MenoSupport‹.
Fehlendes Wissen
Frauen wissen oft wenig über die physischen und psychischen Begleiterscheinungen und finden dazu kaum gute Beratung in ärztlichen Praxen. Die konkrete Gestaltung der Curricula im Medizingrundstudium zum Thema Wechseljahre ist fakultativ und wird in der Facharztausbildung nur marginal behandelt. Zu wenig Forschung und schwammige, falsch verwendete Begriffe wie ›Menopause‹ für die gesamte Dauer der Wechseljahre zeigen, dass diese natürliche Lebensphase von Frauen in der öffentlichen Gesundheitsaufklärung kaum beachtet wird. Abgesehen von den erwerbstätigen Frauen der ehemaligen DDR, deren lebenslange Erwerbstätigkeit bis zur Rente dem Alltag entsprach, gibt es heute erstmals eine Frauengeneration, die selbstverständlich im mittleren Alter berufstätig ist. Die Beschäftigung mit Wechseljahren und deren mögliche negative Auswirkungen am Arbeitsplatz rücken mehr als bisher ins öffentliche Bewusstsein.
Forschungsprojekt ›MenoSupport‹
Die Ergebnisse der im Rahmen des Projektes ›MenoSupport‹ erfolgten Befragung zeigen: Die Beschwerden der Frauen beeinflussen ihre Karriereentscheidungen. Gerade die späteren Berufsjahre eignen sich jedoch für viele ältere Arbeitnehmerinnen, sich voll und ganz auf den Beruf zu fokussieren. »Wir hoffen, dass Deutschland sich dem internationalen Trend anschließt und Unternehmen erkennen, dass es nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll ist, Frauen in dieser Lebensphase zu unterstützen«, so Prof. Dr. Andrea Rumler. In der Tat gibt es inzwischen nicht nur wissenschaftliche Ansätze, sondern zunehmend mehr privatwirtschaftliche Institutionen, Vereine, Coaches, die Unternehmen hierzulande beraten und bei der Realisierung unterstützender Maßnahmen helfen.
Über 70% der befragten Frauen wünschen sich eine wechseljahresfreundliche Arbeitsumgebung wie klimatisierte Büros oder die Möglichkeit, bei Bedarf Pausen in einem extra eingerichteten Ruheraum einzulegen. Mehr Möglichkeiten, im Home-Office zu arbeiten, betriebsärztliche Betreuung zum Thema, eine flexiblere Organisation der Arbeitsaufgaben helfen, hormonbedingte Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen abzufangen.
Betriebliche Gesundheitsprogramme, spezielle Sportangebote, Kurse zu Entspannungstechniken können dazu beitragen, Führungskräfte zu sensibilisieren und betroffene Frauen psychisch und physisch zu entlasten. Nicole Dohrwardt, Gründerin des Beratungsinstituts Female Health Management, spricht sich für eine unterstützende betriebliche Gesundheitsförderung aus. »Mit gezielten Maßnahmen lassen sich die Beschwerden, die durch die hormonellen Veränderungen der Wechseljahre bedingt sind, erleichtern. Zudem können dadurch auch Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Depression oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindert werden.«
Teil des gesunden Alterns
Neben den ›typischen Wechseljahresbeschwerden‹ sehen sich viele Frauen im beruflichen Umfeld mitunter auch heute noch mit Klischees konfrontiert: Frauen in den Wechseljahren seien häufig schwach, passiv, emotional und weniger kompetent. Eine Vorstellung, die dem Bild einer starken und fachlich versierten Führungskraft völlig entgegensteht, aber offenbar nachwirkt. So belegen Studien, dass sich Frauen durch solche Vorurteile verunsichert fühlen, sich weniger zutrauen und es nicht wagen, ihrem Arbeitgeber ihre Situation zu erklären. Die Forderung, mit Frauen in den Wechseljahren im beruflichen Kontext anders umzugehen, sie besonders zu behandeln, halten viele Betroffene für kontraproduktiv, würde dies doch sämtliche Klischees und Stereotype befördern. Andere sind der Auffassung, dass Frauen für diese natürliche Lebensphase besondere Unterstützungsmaßnahmen benötigen, vor allem auch aus wirtschaftlicher Sicht der Unternehmen. Laut ›MenoSupport‹ fühlen sich fast 80% der befragten Frauen aufgrund ihrer Wechseljahresbeschwerden körperlich und geistig erschöpft, können sich weniger konzentrieren. Unter Schlafstörungen leiden über 65%. Nur 6% geben an, dass ihre Arbeit nicht von ihren Wechseljahren beeinflusst werde. Über die Hälfte aller wünscht sich unterstützende Angebote vom Arbeitgeber.
Hilfreiche Infos
- MenoSupport – Forschungsprojekt der HWR Berlin und HTW Berlin
- Hormongesteuert – Der Wechseljahre-Podcast mit Dr.Katrin Schaudig und Katrin Simonsen in der ARD Audiothek
- menopause-gesellschaft.de
- wechseljahre-verstehen.de
- initiative-blickwechsel.de
- wexxeljahre.de
- nobodytoldme.com
- healthcare-frauen.de