Schutz statt Eskalation: Wie Krankenhäuser Gewalt begegnen

Von Stefanie Roloff Lesezeit 2 Minuten
© de Jong Typografie

Gewalttätige Übergriffe sind in Krankenhäusern keine Seltenheit – besonders in Notaufnahmen, wo immer mehr Patientinnen und Patienten auf weniger Personal treffen. Doch es gibt wirksame Schutzmaßnahmen.

Laut einer Umfrage im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) ist die Zahl gewalttätiger Übergriffe in den letzten fünf Jahren in 73 % der Kliniken gestiegen. Da viele Vorfälle nicht erfasst werden, dürfte laut DKG die Dunkelziffer hoch sein. Besonders betroffen sind Pflegekräfte und Mitarbeitende in der Notaufnahme. Die Folgen sind gravierend: Nur 13 % der Kliniken geben an, dass Betroffene psychisch unbeeinträchtigt blieben. In 24 % der Krankenhäuser kam es sogar zu Kündigungen. Umso wichtiger sind Präventions- und Schutzmaßnahmen.

Vorbeugen und Verarbeiten

Die häufigsten Sicherheitsvorkehrungen betreffen laut DKG bauliche und technische Maßnahmen wie Zutrittskontrollen, helle Beleuchtung und Videoüberwachung. Knapp ein Drittel der Krankenhäuser arbeitet mit einem Sicherheitsdienst. Zudem werden Mitarbeitende geschult – etwa in Deeskalationstrainings oder anhand klinikinterner Handlungsleitfäden. Nach Übergriffen gibt es Nachsorgeangebote wie psychologische Unterstützung oder regelmäßige Fallbesprechungen. Der Leitfaden ›Gewalt und Gewaltprävention im Krankenhaus‹ der Krankenhausgesellschaft NRW fasst mögliche Maßnahmen anschaulich zusammen. Dazu gehören auch niedrigschwellige Angebote zur Beruhigung von Patientinnen und Patienten sowie ihren Angehörigen, etwa Plakate, Flyer oder Videoclips zu den Abläufen in der Notaufnahme.

Beispiele aus der Praxis

Ein wegweisendes Konzept für Gewaltprävention bieten die Asklepios Kliniken. Mit der Initiative #HaltzuGewalt positioniert sich der Hamburger Konzern klar gegen Gewalt. Zum Präventionspaket gehören neben den gängigen Schutzvorkehrungen, Schulungen und Hilfsangeboten auch spezielle Maßnahmen wie eine Meldeseite im Internet und ein Hilfetelefon. Dort können Mitarbeitende Fälle erfassen lassen und weitere Schritte besprechen.

Ein Krankenhaus ist kein rechtsfreier Raum und unsere Kolleginnen und Kollegen müssen sich nicht alles gefallen lassen.

Zudem wurden Schrillalarme ausgegeben, um im Ernstfall auf sich aufmerksam zu machen. »Der Schutz unserer Mitarbeitenden hat höchste Priorität. Ein Krankenhaus ist kein rechtsfreier Raum und unsere Kolleginnen und Kollegen müssen sich nicht alles gefallen lassen«, betont Thomas Haul, Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzender der Asklepios Kliniken Hamburg.

Auch der diakonische Gesundheitskonzern Agaplesion setzt sich mit der Initiative ›AGA gegen Gewalt – hinschauen und handeln‹ gegen Gewalt ein. Dabei liegt der Fokus nicht nur auf den Mitarbeitenden, sondern auch auf Patientinnen und Patienten oder Besuchenden. Teil des Angebots ist deshalb ein Online- Hinweisgeber-System, das Augenzeugen oder Betroffene nutzen können, um anonym und streng vertraulich Gewaltvorkommnisse zu melden. Zudem fordert das Projekt dazu auf, Gewalt immer auch selbstkritisch zu reflektieren: »Benennen Sie eigene Fehler und geben Sie anderen Feedback zu (un)gewolltem Verhalten.«

Das Klinikum Dortmund erwägt drastischere Maßnahmen. Das Krankenhaus machte vor kurzem Schlagzeilen mit der Überlegung, Mitarbeitende in besonders gefährdeten Bereichen mit Bodycams auszustatten. Diese sollen aktiviert werden, falls eine Situation zu eskalieren droht, und eventuelle Übergriffe dokumentieren.

Konsequentes Handeln gefordert

Angesichts zunehmender Gewalt setzen sich 93 % der Kliniken in der DKG-Umfrage für härtere Strafen ein. »Wir fordern eine konsequente Verfolgung der Straftaten und vor allem eine gesellschaftliche Debatte und politisches Handeln über zunehmende Gewalt, soziale Schieflagen und sinkende Hemmschwellen«, sagt dazu Prof. Dr. Henriette Neumeyer, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG. Viele Kliniken leben das bereits vor, indem sie mit Hilfe von zielgerichteten Konzepten ihre Mitarbeitenden sensibilisieren und schützen.

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