Hoffen auf mehr Qualität und Effizienz: Die ersten Schritte zur Krankenhausreform sind inzwischen konkret: Das Krankenhaustransparenzgesetz ist verabschiedet und für das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsqualität im Krankenhaus und zur Reform der Vergütungsstrukturen liegt ein Referentenentwurf vor.
Der Prozess zur Verbesserung von Qualität und Effizienz der stationären Versorgung durch Transparenz, Strukturierung von Versorgungsniveaus (Level) und Neuordnung der Vergütung hat damit begonnen. Insbesondere bei der Qualitätsverbesserung hat der Medizinische Dienst neue Aufgaben bekommen. Ob sich die Hoffnungen jedoch erfüllen, hängt auch von der Stringenz der einzelnen Reformteile, der Umsetzung in den Ländern und einer zügigen Weiterentwicklung der Anforderungen an die verschiedenen Versorgungslevel ab.
Mit dem Transparenzverzeichnis zur Krankenhausbehandlung veröffentlicht das Bundesgesundheitsministerium in einer für Laien verständlichen Aufbereitung Daten zum Leistungsvolummen und zur Qualität eines jeden Krankenhauses. Dieser Transparenzatlas enthält folgende Informationen:
- die Fallzahl, zunächst nach Fachabteilungen, ab dem 1.Oktober 2024 nach 65 Leistungsgruppen differenziert,
- die Zuordnung zu einer Versorgungsstufe (Level),
- die Personalausstattung,
- die patientenrelevanten Ergebnisse der einrichtungsübergreifenden Qualitätssicherung,
- Qualitätssiegel oder Zertifikate,
- die Erfüllung von Mindestmengen,
- die Stufe der Notfallversorgung.
An der Bereitstellung der Daten müssen die Krankenhäuser mitwirken. Erfüllen sie diese Pflicht nicht, so drohen Vergütungsabschläge.
Transparenz ist eine unabdingbare Voraussetzung dafür, dass Patientinnen und Patienten sowie ihre einweisenden Ärztinnen und Ärzte überhaupt eine Chance haben, bei der Wahl eines Krankenhauses zur Behandlung einer Krankheit eine qualitätsgesicherte Entscheidung zu treffen.
Wie groß die patientenrelevanten Qualitätsunterschiede in Deutschland sind, darauf hat die Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung für die drei Indikationsbereiche Krebs, Schlaganfall und Endoprothetik hingewiesen.
Transparenz: effektiv für Qualität
Eine entscheidende Determinante für den Behandlungserfolg (vermiedene Mortalität) bei Krebs ist es, ob die Erstbehandlung in einem zertifizierten Zentrum stattfindet. Tatsächlich wurden 2021 nach Feststellung der Kommission nur zwischen 35% (Pankreaskarzinom) und 81% (Prostatakarzinom) der Patienten in einem zertifizierten Zentrum therapiert. Für alle untersuchten Entitäten beträgt das Qualitätspotenzial 20404 Lebensjahre.
Beim Schlaganfall könnten 4969 potenzielle Todesfälle innerhalb des ersten Jahres nach dem Ereignis vermieden werden, würden alle Patientinnen und Patienten, wie empfohlen, in einer Klinik behandelt werden, die über eine Stroke-Unit verfügt.
In der Endoprothetik ist die Fallzahl eine entscheidende Determinante für vermeidbare Revisionen und das Mortalitätsrisiko: Werden bestimmte Mindestmengen erreicht, kann das relative Risiko für eine Revision je nach Art des Eingriffs zwischen 18 und 34% und das relative Risiko für Krankenhaussterblichkeit um 59 bis 70% gesenkt werden.
Gesundheitsökonomen halten das Instrument für durchaus wirksam. »Eine anwenderfreundliche Aufbereitung des Public Reporting fordern wir als Wissenschaftler schon lange«, sagt Gesundheitsökonom Professor Dr. Jonas Schreyögg von der Universität Hamburg. Studien aus den USA und Deutschland zeigten zwei Effekte:
- den Selektionseffekt, der sich aus der Auswahl qualitativ besserer Krankenhäuser durch die Patienten und/oder ihre einweisenden Ärzte ergibt, und
- den Reputationseffekt, der aus einer Qualitätsverbesserung durch die Krankenhäuser selbst resultiert, weil sie einen Reputationsschaden durch Negativvergleiche vermeiden wollen. Nach Studien sei dieser Effekt besonders wirksam, so Schreyögg.
Sein Berliner Kollege Professor Dr. Reinhard Busse, der der Regierungskommission für die Krankenhausversorgung angehört, misst dem Transparenzgesetz eine gestiegene Bedeutung zu, vor allem deshalb, weil die Länder in den Verhandlungen über zukünftige Struktur und Vergütung für die Krankenhäuser die von der Kommission vorgeschlagene Feingliederung in 126 Leistungsgruppen zugunsten einer groben Differenzierung in 65 Leistungsgruppen mit wenig präzisen Anforderungen an Strukturmerkmale abgelehnt hätten. Entstanden seien zwei »riesige« Leistungsgruppen – die Allgemeine Innere Medizin und die Allgemeine Chirurgie –, »an denen praktisch keine Vorgaben hängen, außer dass drei Fachärzte vorhanden sein müssen«.
Verantwortung der einweisenden Ärzte
Hier setze der Krankenhausatlas an: Er zeige zumindest, ob das entsprechende Haus adäquat aufgestellt ist. Eine besondere Verantwortung sieht Busse dabei für die einweisenden Ärztinnen und Ärzte, denn aus der internationalen Literatur sei bekannt, dass informierende Ärzte dabei die wichtigeren Nutzer als die Patientinnen und Patienten selbst seien.
Der kurz vor Ostern veröffentlichte Referentenwurf zur Reform der Krankenhausstrukturen und -vergütung offenbart, wie steinig und von wie viel »faulen Kompromissen« (Busse) der Reformprozess begleitet ist. Um wenigstens den Reformansatz zu retten, hat sich das Bundesgesundheitsministerium bereitgefunden, entsprechend dem NRW-Modell die Zahl der Leistungsgruppen auf 65 zu reduzieren. Aber: Würde der jetzt vorliegende Entwurf realisiert (was noch ungewiss ist), ist die nächste Hürde bereits programmiert: Bund und Länder müssen sich auf die nach dem neuen §135e vorgesehene Rechtsverordnung über die Qualitätskriterien für die Leistungsgruppen verständigen. Die gleiche Hürde besteht für die Festlegung von Mindestmengen, die für jede Leistungsgruppe erfüllt sein müssen (§135f).
Wıchtige Rolle des Medizinischen Dienstes
Der Medizinische Dienst ist als unabhängige Institution für die Überprüfung der Qualitäts- und Strukturmerkmale zuständig. Der Prüfauftrag nach dem neuen §275a soll erheblich erweitert werden: auf die Erfüllung der Qualitätsanforderungen nach §135e, der Strukturmerkmale aufgrund des vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssels und der Qualitätsanforderungen nach den §§135b sowie 136 bis 136c. Diese Überprüfungen durch den Medizinischen Dienst müssen vor der Zuweisung von Leistungsgruppen und vor dem Abschluss von Versorgungsverträgen zwischen Krankenhaus und Krankenkassen stattfinden.
Die ersten Prüfungen sollen von den Ländern bis zum 30. September 2025 beauftragt und spätestens bis zum 30. Juni 2026 abgeschlossen sein. Die Ergebnisse der Prüfung sollen auch an das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) übermittelt werden, insbesondere auch die Nichteinhaltung von Qualitätskriterien, um sie in den Krankenhausatlas aufzunehmen.
Weiterentwicklung notwendig
Vorläufiges Fazit, so Busse und Schreyögg: Die weitgehend von Nordrhein-Westfalen übernommenen Strukturvorgaben können nur ein Einstieg in einen länger währenden Reformprozess sein. Ungewiss bleibe, ob Bund und Länder sich künftig auf eine Weiterentwicklung und Differenzierung der Leistungsgruppen sowie der Qualitäts- und Strukturanforderungen einigen können; der Weg dazu wird im Entwurf beschrieben: Bund- und Länder haben ein Initiativrecht, fachlichen Einfluss und Expertise können medizinische Fachgesellschaften liefern, die die Reform für dringend erforderlich halten. Eine Handlungsoption für den Bund sei es, die Liste der OPS-Strukturmerkmale, die ebenfalls vom Medizinischen Dienst geprüft wird, deutlich zu erweitern.
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Redaktionsschluss: 10. Mai 2024